Auf die Treppe, fertig, los! Stefan war beim Niesen Treppenlauf

Der Niesen Treppenlauf

In meinem Laufkalender finden sich immer mal wieder Läufe, die nicht alltäglich zu meistern sind. Einen besonderen Charme strahlte der Niesen-Treppenlauf für mich aus, schon als ich zum ersten Mal davon gehört habe und so versuchte ich mehrmals erfolglos mich anzumelden, bis es endlich geklappt hat.

Wie dafür trainieren?

In unserer Region habe ich dafür zwei Laufstrecken ins Auge gefasst – die Himmelsleiter in Rudolstadt und die Schanze am Kanzelsgrund in Oberhof. Letztere bin ich beim Abschlusstraining vor dem Treppenlauf ganze 15 Mal hinaufgestiegen, was in etwa der Distanz entsprach, die am Niesen zurückgelegt werden musste.

 

 

Der Berg

Der Niesen ruft! Der am Thuner See (558m ÜNN) gelegene Berg, wird aufgrund seiner gleichmäßig spitzen Form auch die Pyramide der Schweiz genannt. Sein Gipfel ragt 2362m in die Höhe und der Berg hatte auf der Schattenseite tatsächlich noch Schneereste des letzten Winters geschultert. Der erste Anblick löste Erstaunen und (mit Hinblick darauf, dass man da hochlaufen wird) gehörigen Respekt aus. Man rühmt sich hier mit 11.674 Stufen die längste Treppe der Welt zu haben. Diese Treppe wurde ursprünglich nur für Reparaturarbeiten an der Niesenbahn gebaut. 

Aber nach zahlreichen illegalen Benutzungen entschied man sich dazu, einmal im Jahr einen Treppenlauf zu veranstalten und den Läufern die Möglichkeit zu geben legal und sicher den Berg zu erklimmen. 2022 war es zum 19. Mal soweit und der Treppenlauf fand am 11.Juni nach zwei Jahren mit Corona-bedingten Einschränkungen wieder statt.

 

 

Daten zum Lauf

Gestartet wird am Freitag und am Samstag, Freitagnachmittag sind die Starts der 2er-Staffel und am Samstag starten dann die Einzelläufer zwischen 7:30 Uhr und kurz nach acht. Los geht es immer in der Talstation Mülenen (693m ÜNN). Durch die große Menge an Teilnehmern (über 300) ist es nicht möglich, dass alle gleichzeitig starten, daher werden alle 20 Sekunden 4 Läufer auf die Strecke geschickt. Und noch eine Sache muss beachtet werden: die längste Treppe der Welt ist schmal, sehr schmal! 

 

Überholmanöver werden mit dem Ruf "Treppe" angekündigt. Man muss stets voll konzentriert sein. Die Stufen sind unterschiedlich hoch und von der Witterung gezeichnet. Mal aus Stein und mal aus Eisen. Nicht einmal die Hälfte der Strecke ist mit einem Geländer versehen. 1.669 Höhenmeter sind auf der 3,4km langen Strecke zu meistern. Im ersten Teilabschnitt liegt die maximale Steigung bei 66% im zweiten sogar bei 68%. Die 11.674 Stufen geben jedem Läufer die Gelegenheit seine Grenzen auszuloten!

Die Organisation vor Ort

Das Wetter ist ein entscheidendes Kriterium für die Durchführbarkeit des Laufes. Bei schlechten Bedingungen ist ein Abbruch jeder Zeit möglich. Am Wettkampftag betrug die Temperatur bei der Talstation kühle 9 Grad Celsius. Einige warteten sogar mit einem Deckenumhang auf ihren Einsatz. Läufergepäck konnte abgegeben werden und wurde zwischen 6 und 7Uhr (mit den letzten Bahnen vor dem Lauf) auf den Berg gebracht. Auf der Strecke gibt es nur 3 Versorgungsstationen. Erstere und Letztere mit Getränken, die Mittlere zusätzliche mit Essen. Es scheint für 3,4km viel zu sein, ich hätte gern mehr gehabt. Ab 7:30 Uhr werden im Sekundentakt Startnummern aufgerufenen. Man betritt die Talstation. Auf einem Bildschirm sieht man seinen Namen und einen Countdown und dann wird es ernst!

 

Das Rennen

Man lässt die (für diese Zeit) stillgelegte Gondel in der Talstation hinter sich und begibt sich zunächst auf eine schräge Stahlgitterkonstruktion, die mit ihren Sprossen eher an eine Hühnerleiter erinnert. Dann kommen die ersten Steinstufen. Unterschiedlich hoch und immer etwas uneben. Einige Stufenplatten hört man bereits wackeln, wenn der Läufer vor einem sie betritt. Manche Stufen sind keine 10cm hoch und sehr flach. Dann kommen plötzlich wieder Stufen, die 20 cm hoch sind, unvorhersehbar und immer im Wechsel. Gut 30cm breit ist die Treppe an den engsten Stellen.

Das Überholen kostet viel Kraft, vor allem zu Beginn, wenn viele Läufer noch schnell unterwegs sind, doch das schnelle Tempo halten nur wenige. Manche Läufer nutzen auch die Treppen der Standseilbahn. Diese Treppen werden aber immer wieder durch Laufrollen unterbrochen, was es auch nicht minder anstrengend macht. Irgendwann teilt sich die Seilbahnstrecke in 2 Linien. Genau wie bei der Oberweißbacher Bergbahn, kommen sich an dieser Strecke zwei Gondeln entgegen. Wer nun dachte, dass man dort schon bei der Hälfte angekommen ist, der irrt sich gewaltig, denn die Strecke besteht aus zwei Teilabschnitten, auf denen normalerweise die beiden Gondeln der Niesenbahn unterwegs sind. Der erste Teilabschnitt ist 2.200m lang, der zweite noch einmal 1.200m. Auf der Zwischenstation müssen die Niesenbesucher umsteigen oder können alternativ einen Teil des Berges erwandern. Für uns Läufer hieß es an der Zwischenstation lediglich Essen fassen, einen Schluck trinken und Zeit checken. Wer bis zu diesem Punkt länger als 70 Minuten gebraucht hat, der wird aus dem Rennen genommen. Das harte Zeitlimit wird nicht ohne Grund gesetzt: die Bergbahn will schließlich im Laufe des Tages auch wieder Nichtläufer auf den Berg bringen. Der Zweite Abschnitt ist zwar kürzer, aber nicht minder anstrengend. Hier wartet die Maximalsteigung von 68% auf die Treppenläufer. Der Lauf erfordert volle Konzentration, so fand man kaum eine Gelegenheit die atemberaubende Aussicht auf die umliegenden schneebedeckten 3.000er-Berge zu genießen. Während des Laufes wurde es immer wärmer und man sehnte sich nach dem nächsten Tunnel. Nach der Zwischenstation kratzten die Temperaturen bereits an der 25 Grad Marke. Auch die wenigen Bäume bieten kaum Schatten. Jedes Geländer und alle Felsvorsprünge werden genutzt um sich mit den Händen nach oben zu ziehen. Die letzten 300m führen zum Glück über eine Stahltreppe. Einer der wenigen Streckenabschnitte, auf denen die Treppen über eine künstliche Mauer gebaut wurden und somit einen gleichmäßigen Aufstieg gewährleisten. Die Mauer ist an der höchsten Stelle ungefähr 10m hoch, der Blick in alle Richtungen dementsprechend schwindelerregend. In der prallen Sonne verlangen diese letzten Stufen den Teilnehmern nochmal alles ab. Jeder kämpft permanent dagegen an noch eine weitere Pause machen zu wollen. Dann kommt der letzte Tunnel, die letzten 100m, vorbei an der roten Gondel der Seilbahn in der Bergstation. Man biegt um die Ecke, aber wo ist das Ziel?

Ernüchternd stellt man fest: es liegt noch immer 26 Höhenmeter entfernt! In einer gut 500m langen Schleife erklimmt man diesen letzten Wegabschnitt dann auch noch rennenden Schrittes, bis dann endlich der Torbogen mit der Ziellinie überschritten werden kann. Nun ist man wirklich auf dem höchsten Punkt vom Niesen angekommen. Läufer liegen sich in den Armen, ringen nach Luft oder genießen schon die erste Erfrischung nach den Strapazen und den wundervollen Blick auf den Thunersee. Eine Mannschaft aus Mexiko macht ein Gruppenfoto. Alle Anstrengung und Strapazen fallen sofort von einem ab und man ist froh den Berg bestiegen zu haben.

Das Fazit

Was für eine Lauferfahrung. Mein höchster Respekt gilt allen, die sich dieser Herausforderung stellen. Es gibt kein Rennen aus meinem bisherigen Leben, mit dem ich dieses Erlebnis vergleichen kann. Ein Dank an die Organisatoren, die dieses Lauferlebnis möglich gemacht haben.

 

Text und Fotos: Stefan Eberhardt

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Kommentare: 1
  • #1

    Jürgen (Samstag, 25 Juni 2022 15:43)

    Super geschrieben, Glückwunsch zum Finish �

 

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